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Content-Marketing vs. Journalismus – Teil 3: Muss Content-Marketing als Werbung gekennzeichnet werden?

Content-Marketing vs. Journalismus - Teil 3: Muss Content-Marketing als Werbung gekennzeichnet werden?
Disclaimer: Ich bin kein Anwalt. Dieser Artikel kann, will und darf keine Rechtsberatung durchführen. Die Ausführungen sind lediglich meine Meinung!

Für viele Journalisten ist Content-Marketing ein rotes Tuch. Werbung, die sich redaktionell tarnt, so der Vorwurf, ist für viele Medienschaffende eine klare Kompetenzüberschreitung. Auch der Verdacht, dass Content-Marketing in Wahrheit nur Schleichwerbung ist, steht schon länger im (digitalen) Raum. Daher auch die Frage: Muss Content-Marketing als Werbung gekennzeichnet werden?

Meine provokante These: NEIN; Denn die Frage ist falsch formuliert. Es spielt keine Rolle, ob ein Inhalt Content-Marketing ist. Wichtig ist nur, ob der Inhalt einen externen kaufmännischen Prozess durchlaufen hat. Dann wird der Inhalt zu “paid media” und damit kennzeichnungspflichtig.

Fragen über Fragen, die aber mit steigender Bedeutung und steigendem Einsatz von Content-Marketing zunehmend an Bedeutung gewinnen. Inspiriert durch die Artikel “Oh nein, wir machen ja doch nur Werbung!” (3. Mai. 2016) von Maël Roth, meinem Interview mit Falk Hedemann “Warum Content-Marketing in vielen Unternehmen auf der Stelle tritt” und dem Artikel “Warum Content Marketing als Werbung gekennzeichnet werden muss” von Philip Bolognesi auf BASICthinking.de, sowie natürlich anderen Artikeln zum Thema Content-Marketing, wird es Zeit, das Verhältnis von Content-Marketing zu (Schleich-)Werbung genauer zu untersuchen.

Was genau ist Schleichwerbung:

Schleichwerbung bezeichnet laut ORF-Gesetz […] und deutschem Rundfunkstaatsvertrag „die Erwähnung oder Darstellung von Waren, eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Programmen, wenn sie vom Veranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und mangels Kennzeichnung die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann.“ Die dramaturgisch nicht notwendige Produktplatzierung wird in der Regel mit Geld- oder Sachzuwendungen abgegolten.
Schleichwerbung sollte nicht verwechselt werden mit in Deutschland und Österreich grundsätzlich erlaubter Produktbeistellung, also der dramaturgisch notwendigen, unentgeltlichen Zurverfügungstellung von zum Beispiel benötigten Autos. (Quelle: Wikipedia – eigene Hervorhebung im Text)

Zusammenfassung: Es geht also in erster Linie um die “Täuschung der Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks der Erwähnung oder Darstellung” und das “Abgelten mit Geld- oder Sachzuwendungen”.

Drei (weitere) Thesen: Content-Marketing, Inbound Marketing & Paid Media

1.) Content-Marketing These: Content-Marketing ist (neben den gängigen inhaltlichen Definitionen) der psychologische Prozess, welchen Inhalte durchlaufen, wenn diese von Medienschaffenden produziert werden. Die Intention der Medienschaffenden spielt hier eine entscheidende Rolle. Stellen diese wirklich den Leser/Interessenten und seine Bedürfnisse/Probleme in den Mittelpunkt?! Dann ist es Content-Marketing – natürlich auch immer mit Ausnahmen. Stichwort: informative, beratende, unterhaltsame oder emotionale Inhalte, die dem Leser einen Mehrwert bieten und aus sich heraus weiterhelfen.

Viele Experten sprechen an dieser Stelle sogar oft von der Notwendigkeit eigener Plattformen, um Content-Marketing langfristig, konstant und vor allem mit der entsprechender Strahlkraft auf die Marke zu realisieren. Content-Marketing ist also neben der strategischen Komponente zunächst eine Innensicht auf den Content.

2.) Inbound Marketing These: Inbound Marketing – eines der vielen Synonyme zu Content-Marketing – beschreibt nicht Content-Marketing per se, sondern den technischen Prozess, durch den Leads geführt werden, welche durch Content-Marketing (oder z.B. auch Social Media) generiert werden und in weiteren Schritten dann qualifiziert (Lead Nurturing) werden. Content-Marketing ist neben anderen Disziplinen wie Social Media, also “nur” ein Teil des Inbound-Marketings – kein Synonym.

An dieser Stelle – und das sei nicht verschwiegen – kann natürlich auch wieder angeführt werden, dass Content-Marketing eigentlich ein zutiefst strategischer Prozess ist, welcher sehr hoch im Unternehmen angesiedelt sein muss, so dass eigentlich auch Social Media sich der Content-Marketing-Strategie unterwerfen muss.

3.) Paid Media These: Paid Media ist – in Anlehnung an das Wording “technischer und psychologischer Prozess” – der externe kaufmännische Prozess, durch den Content-Marketing gehen muss, um auf Fremdplattformen (z. B. Zeitungen, Magazinen etc.) zu erscheinen.

Gedanken-Experimente: Wann muss ein “Content-Piece” als Werbung gekennzeichnet werden – und wann nicht?

Nochmal Disclaimer: Ich bin kein Anwalt. Dieser Artikel kann, will und darf keine Rechtsberatung durchführen. Die Ausführungen sind lediglich meine Meinung.

1.) Content auf eigenen Plattformen:

Hier greift These 1: Veröffentlicht ein Unternehmen Content auf einer eigenen Plattform, wie z.B. einer Website oder einem Blog, ist keine Kennzeichnung als Werbung notwendig, da das Unternehmen sich auf seiner eigenen Website unweigerlich als Produzent zu erkennen gibt – oder zumindest im Impressum spätestens zu erkennen geben sollte. Der Nutzer muss wissen, dass er sich im “Hoheitsgebiet” eines Unternehmens befindet. Es kann also nicht von einer Täuschung der Allgemeinheit gesprochen werden.

2.) Content auf fremden Plattformen:

Hier greift These 3: Durch die “Weitergabe” von Content-Stücken (auch wenn diese zu 100% der Intention Content-Marketing entsprechen) in fremde Hände, durchlaufen diese einen kaufmännischen Prozess (Randnotiz: auch bei einem Preis von 0,- Euro oder auf Grund eines Gegengeschäfts wird ein kaufmännischer Prozess durchlaufen). Dadurch werden diese zu “paid media” und damit Kennzeichnungspflichtig.

Exkurs: Ich habe erlebt, dass auch “paid media”-Stücke einen gewissen redaktionellen Prozess durchlaufen und auch von Magazinen leicht abgeändert werden. Die redaktionelle Prüfung (innerhalb eines kaufmännischen Prozesses) ist also kein Messkriterium für die Frage nach einer Kennzeichnung.

3.) Content auf Social Media Plattformen:

Hier greift These 1: Wie bei einer Website, ist der Absender im Seitenname oder spätestens im Impressum der Page zu erkennen. Dies gilt auch für “Passion-Sites” wie z.b. Männergrippe (Quelle: Facebook) von MCM Klosterfrau. Im Umkehrschluss wäre jeder Post auf Facebook als Werbung zu kennzeichnen. Dies kann nicht zielführend sein.

4.) Content, welcher einen redaktionellen Prozess durchlaufen hat:

Dieses Thema ist schon komplizierter. Müssen Inhalte, die von Unternehmen produziert werden, aber kostenlos und ohne kaufmännischen Prozess von Journalisten aufgegriffen werden gekennzeichnet werden? Mal abgesehen von der Frage, ob das Kopieren von Inhalten ein Verstoß gegen das Urheberrecht ist, kommt es hier vermutlich auf die Details an. Schreibt z.B. Coco-Cola als Lifestyle-Produkt eine Rezession über den neuen Superhelden-Kinofilm auf ihrer eigenen Website und eine Zeitung kopiert den Inhalt ohne das Unternehmen zu nennen, dürfte vermutlich keine Kennzeichnung notwendig sein. Wird das Unternehmen Coca-Cola freiwillig als Quelle erwähnt, ist es kein “paid media”. Ergo: Theoretisch kein Kennzeichnung notwendig. Es ist ein schmaler Grad, aber die freiwillige Nennung eines Fimen- oder Produktnamens – und sei es auch mit einem sehr werblichen Unterton – liegt allein in der Verantwortung des jeweiligen Journalisten.

Wichtig: Hier gibt es jedoch bereits Gerichtsurteile, die anderer Meinung sind. In den beschriebenen Fällen ging es um Influencer, die kostenfrei Produkte auf Instagram und Co. empfohlen haben. Das Gericht kam zum vorläufigen Urteil, dass wenn der Influencer sehr viel bezahlte Werbung (“paid media”) macht und “zwischendurch” unbezahlt Produkte empfiehlt, der Leser nicht mehr unterscheiden kann. Darum müssten (aktuell noch Konjunktiv) auch kostenlose “werbliche Posts” als Werbung gekennzeichnet werden. Ein abschließendes Urteil wird für Februar 2019 erwartet. Viele Medienexperten gefällt dieses Urteil jedoch überhaupt nicht, da es de facto alles zur Werbung macht. Als Konsequenz sind Influencer dazu übergegangen, zur Sicherheit alle Posts auf Instagram als Werbung zu kennzeichnen. Was eine Unterscheidung komplett unmöglich macht. Hier wurde also vorläufig das Kinde mit Bad ausgeschüttet und den Lesern/Fans ein Bärendienst erwiesen.

EDIT 19.01.2019: Teilerfolg. Beiträge/Fotos von selbstgekauften Waren müssen nicht als Werbung gekennzeichnet werden (Quelle: Game Wirtschaft)

4.) Content auf Presseportalen:

Jetzt wird es richtig kompliziert! Wenn Unternehmen Inhalte auf Social Media Plattformen veröffentlichen, sind die Inhalte direkt über den Seitennamen oder spätestens über das Impressum als “Unternehmensinhalte” zu erkennen. Wie sieht es jedoch mit Presseportalen und ähnlichen Portalen aus? Hier ist der Name der Website und das Impressum logischerweise die bzw. das des Presseportals.

Und genau hier greift wieder These Nr. 3. Durch das Hochladen der Inhalte – ob kostenpflichtig oder gratis – startet ein kaufmännischer/vertraglicher Prozess. Damit müssen die Inhalte gekennzeichnet werden. Ob der Name das Portals – also z.B. Pressebox, Pressetext, OpenPR oder eine allgemeine Kennzeichnung z.B. im Impressum reichen bleibt offen. Ebensfalls gilt hierbei, dass es sich bei den veröffentlichten Inhalten eigentlich “nur” um Pressemeldungen handelt, welche von je her mit einer Kontaktadresse und dem Unternehmensnamen gekennzeichnet sind, da es ja beabsichtigt ist, dass Journalisten mit dem Unternehmen Kontakt aufnehmen.

Ich freue mich auf weitere Use-Cases und Beispiele, an denen wir meine drei Thesen diskutieren können. Einfach in die Kommentare schreiben.

Vorläufiges Fazit:

Content-Marketing muss NICHT gekennzeichnet werden, da Content-Marketing in erster Linie ein interner Begriff ist. Content-Marketing ist eine zutiefst strategische Marketing-Disziplin, welche eine langfristige Wirkung erzielen will, den Nutzer/Interessenten ins Zentrum stellt und meistens auf eigenen Plattformen realisiert wird. Erst wenn Content-Marketing-Inhalte (das Wort ist mehr als sperrig) die “Seite” wechseln und extern weitergereicht werden, wechseln die Bezeichnungen und damit auch die juristische Klassifizierung. Erst wenn Inhalte einen externen kaufmännischen Prozess durchlaufen, sind diese Inhalte zu kennzeichnen. Es spielt dabei auch keine Rolle, ob das Content-Marketing gut oder schlecht oder im schlimmsten Fall gar nicht vorhanden ist. Auch schlechte Content-Marketing-Inhalte werden dann zu “paid media”, wenn diese extern weitergegeben werden. Somit ist die Frage, ob Content-Marketing als Werbung gekennzeichnet werden muss falsch gestellt.

Die Medienkompetenz ist das Problem:

Das Problem dürfte an anderer Stelle liegen. Wenn Coca-Cola sich als Lifestyle-Produkt positioniert und Kinofilm-Rezessionen schreibt oder wenn Samsonite als Kofferhersteller Tipps für Fluggastrechte, gegen Reisekrankheit oder Reisetipps (Die 10 schönsten Strände in Italien) schreibt und beide Unternehmen diese Inhalte auf ihren eigenen Plattformen veröffentlichen, kann dann der Leser erkennen, dass es Marketing und damit im Volksmund “Werbung” ist? Meiner Meinung nach: JA. Eine Website ist dafür da, dass Unternehmen Inhalte nach außen kommunizieren. Wie ein Schaufenster zu Welt. Der Website-Besucher muss wissen, dass alles was auf der Website steht, im Interesse des Unternehmens geschrieben wurde. Und hier schließt sich der Kreis wieder zur Definition von Schleichwerbung. Wenn ich als Leser davon ausgehe und auch ausgehen muss, dass alles was auf einer Unternehmenswebsite im Interesse des Unternehmens kommuniziert wird, dann kann auch keine Täuschung stattfinden.

Wo liegt nun das Problem? Warum haben gerade Journalisten so oft Probleme mit Content-Marketing?

Als ausgebildeter Journalist (Studium & Berufserfahrung) und ausgebildeter PR-Manager (absolviertes Traineeship zum Junior PR-Manager) kann ich die Vorbehalte auf den ersten Blick seht gut verstehen. Wenn Coca-Cola als Lifestyle-Produkt eine Kino-Rezession und Samsonite einen Urlaubstipp schreibt – um bei den gleichen Beispielen zu bleiben – und damit in direkte Konkurrenz zu einer Zeitung tritt, welche ebenfalls Kinoberichte und Reisetipps schreibt, dann wildern Content-Marketing-Manager sozusagen im gleichen Gebiet. Beide Inhalte – der Kinobericht und der Urlaubsbericht – haben den gleichen Inhalt, werden aber einmal von einem Unternehmen geschrieben, welches am Ende Produkte verkaufen will und  das andere Mal von einer Zeitung mit einem gesellschaftlichen Auftrag. Und im schlimmsten Fall sind die Berichte der Unternehmen sogar noch besser geschrieben, da das jeweilige Unternehmen mehr Budget zur Verfügung hat, um damit die besseren “Schreiber” einzukaufen. Was dann?

Es ist verständlich, dass Journalisten allein schon auf Grund ihres Selbstverständnisses in und für die Gesellschaft den Rezipienten zurufen möchten: “Halt, lasst euch nicht täuschen, die machen doch nur Werbung”. Und ja, am Ende ist Content-Marketing, das was der Volksmund “Werbung” nennt. Solange der Content aber einen Mehrwert hat (ich verwende das Wort hier im Sinne der Steigerung. Wenn der Kinofilmbericht von Coca-Cola ‘mehr Wert’ bzw. ‘mehr Inhalt’ hat, als der Filmbericht der Zeitung), dann sollten sich Journalisten eher fragen, wie sie diesen Rückstand aufholen können, anstatt nur zu schreien: “Halt, lasst euch nicht täuschen, die machen doch nur Werbung”.

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