Home » Blog » Warum uns WhatsApp Angst macht, wir es aber trotzdem verwenden

Warum uns WhatsApp Angst macht, wir es aber trotzdem verwenden

WhatsApp bleibt ein Mysterium! Oder: Mind the Gap – WhatsApp vs. German Angst. Eine aktuelle Studie (Stand Q1 2020) belegt, dass WhatsApp in Deutschland alle anderen Messenger und sozialen Netzwerke abhängt. Mit 96% Marktabdeckung ist die App beinahe wie eine ab Werk vorinstallierte Smartphone-App. Nur wenige Nutzer verweigern sich dem Messenger. Spannend sind die Zahlen jedoch erst, wenn man andere Studien in Verbindung dazu setzt. Zugegeben ist diese Methode statistisch nicht sauber, da zum einen die Studien in unterschiedlichen Jahren und zum anderen mit unterschiedlichen Teilnehmern erhoben wurden. Es zeigt sich jedoch ein Widerspruch, über den es nach zu denken lohnt.

Ihr Meinung zu diesem Blog-Artikel: (BETA)

      Wie kann es z. B. sein, dass 89% der Befragten Angst davor haben, von fremden Regierungen ausspioniert zu werden und weitere 50% eine Abhängigkeit von den USA (und China) im Bereich der digitalen Technologien fürchten, aber dennoch 96% der Smartphone-Nutzer WhatsApp installiert haben? Oft ist WhatsApp sogar die einzige Messenger-App auf dem Gerät. Lediglich 58% der Befragten verwenden zwei Chat-Apps. Bei drei oder mehr Chat-Apps wird es noch dünner. Ebenfalls gaben 90% der Befragten einer ARD-Studie 2018 an, kein Vertrauen in Facebook zu besitzen. Wie passt dies alles zusammen?

      Fun-Fact: Menschen, die mehr als eine Chat-App nutzen nennt man “Multihomer“.

      Diese enormen Diskrepanzen können durch drei Gründe erklärt werden. Zum einen – und der vielleicht am meisten überraschendste Grund – ist die Unwissenheit vieler Nutzer, dass WhatsApp seit 2014 zum Facebook Konzern gehört (Kaufpreis 19 Mrd Euro). Zum anderen der klassische Netzwerkeffekt – auch “Winner-takes-it-all-Effekt” oder im Volksmund Gruppenzwang genannt. Dabei steigt der Wert eines Produkts mit der Anzahl der Nutzer. Ein Messenger ist wie ein Bar (Kneipe). Egel wie schlecht, dreckig, teuer, laut und schmuddelig eine Bar ist, sobald alle Freunde dort sind und die Party läuft, will man auch dort sein. Wer auf der anderen Straßenseite in der tollen neuen Bar alleine sitzt, hat nichts gewonnen und langweilt sich. Last but not least kommt noch FOMO (The Fear of missing out) hinzu. Also die Angst etwas zu verpassen, wenn man nicht bei WhatsApp angemeldet ist. Und in der Tat sind die wenigen 4% der Nutzer – bei Jugendlichen sogar nur 2% – oft bei Planungen und Verabredungen der Freunde aussen vor, wenn sie nicht in den jeweilige WhatsApp-Gruppen sind. Also ein sich selbst reproduzierender Druck. Je mehr Freunde bei WhatsApp angemeldet sind, umso größer der “Gruppenzwang”. Dieser Druck lässt sich sogar in einem Geldbetrag messen. Nutzern müsste man laut einer europäischen Studie durchschnittlich 536 Euro PRO MONAT bezahlen, damit diese auf WhatsApp verzichten. So wichtig ist ihnen der grüne Messenger.

      Kein WhatsApp-Bashing sondern Medienkompetenz ist gefordert:

      Dieser Artikel ist kein “WhatsApp-Bashing”. Es geht primär darum aufzuzeigen, dass es scheinbar einen großen “Gap” (Graben) zwischen der App-Nutzung (gilt auch für Facebook und Instagram) und den Ängsten und Wünschen der Nutzer gibt. Trotz Angst vor Spionage, der Abhängigkeit von den USA und dem fehlenden Vertrauen gegenüber Facebook, ist WhatsApp auf eigentlich jedem Smartphone in Deutschland installiert. Andere Messenger-Apps wie Threema, Signal und Co. kommen auf einen Bruchteil dieser Marktdurchdringung (Q4 2019).

      Eine Infografik zeigt die widersprüchlichen Zahlen:

       

      Der erste Schritt muss die Steigerung der Medienkompetenz sein.
      Die Nutzer müssen zuerst verstehen, dass Sie es selbst in der Hand haben.
      Erst danach kann eine technische Lösung folgen.

      Der “goldene Käfig” oder die digitale “Komfortzone”:

      Wie gesagt, kann es nicht darum gehen, ein WhatsApp-, Facebook oder sogar US-Bashing zu betreiben. Es geht darum zu erkennen, dass wir uns selbst in die Abhängigkeit von großen Digital-Konzernen begeben haben. Die “Big Five” oder auch “GAFA” (Google, Amazon, Microsoft, Apple und Facebook) haben perfekt erkannt, wie man Nutzern und Kunden ein weiches Kissen bereitet, auf dem wir uns alle gerne betten. Der Autor dieses Blogs übrigens auch. Alle Produkte von Amazon Prime, über Netflix, bis hin zu allen sozialen Netzwerken und Messengern sind bequem und oftmals kostenlos in der Nutzung. Sie erleichtern uns das Leben und bieten uns viele Annehmlichkeiten, die wir nur allzu gerne annehmen. Man muss nur mal im Kopf überschlagen, wie viel die ganzen (Text-)Nachrichten zu früheren Zeiten als SMS gekostet hätten – von Bildern und Videos ganz zu schweigen. Und heute ist das alles kostenlos (Smartphone und Mobilfunkvertrag nicht mitgerechnet). Wollen wir uns davon lösen, wird uns nichts anderes übrig bleiben, als den dadurch aufkommenden “Schmerz” und den gesteigerten Aufwand auszuhalten. Keine WhatsApp-Gruppen mehr mit dem Fussball-Kumpels oder den Klassen-Eltern, keine Nachrichten mehr über Facebook und vor allem viele viele verschiedene Messenger zur Kommunikation mit Freunden. Diese “Un-Komfortzone” ist der Preis, den wir – zumindest bis sich eine bessere Technik durchgesetzt hat – zahlen müss(t)en. Hierfür scheinen aktuell 96% der Nutzer noch lange nicht bereit zu sein.

      Transparenz/Disclaimer:

      Der Autor dieses Blogs ist zum einen bekennender Threema-Fan, hat aber auch Facebook, WhatsApp, Amazon, Netflix und Co. in Verwendung. Von all diesen Unternehmen fließt jedoch KEIN Geld und/oder andere geldwerte Vorteile.

       


       

      Brandaktuell: Die Corona-App und andere Apps:

      Zugegeben, der Vergleich hinkt stark. Geht man in die Tiefe – sowohl technisch wie auch juristisch – sind natürlich Unternehmen (z. B. Facebook) nur bedingt mit einem Staat zu vergleichen. Aber auch bei der Corona-App zeigt sich, wie unterschiedlich wir Apps und die Datenweitergabe betrachten. Wichtig: Ich spreche mich hier weder für, noch gegen die Corona-App aus. Es ist aber wichtig zu erkennen, dass hier rein argumentativ ebenfalls ein Lücke klafft.

      Ein paar Eindrücke auf Twitter, die es verdeutlichen sollen:

      Sogar innerhalb eines Unternehmens ist sich der deutsche Nutzer uneinig. Bereits 2016 gaben 80% der Befragten einer Studie an, sehr oft Google Maps zur Navigation zu verwenden. 2020 dürften es noch mehr sein. Auch die Downloadzahlen von Google Auto (inkl. Google Maps) sprechen für sich. Zusammen wurden diese im Mai 2020 über 500.000 mal auf Smartphones herunter geladen. Gleichzeitig verteufeln wir Deutschen (und scheinbar auch die Österreicher) Google Street View. Und auch hier ist natürlich Vorsicht geboten. Es ist definitiv etwas anderes, sich von Punkt A nach Punkt B navigieren zu lassen, als wenn das eigene Haus – vielleicht noch mit der eigenen Familie im Garten – für alle sichtbar im Internet erscheint. Doch auch hier sollten die unterschiedlichen Sichtweisen zu denken geben.

      Ein paar Eindrücke auf Twitter, die es verdeutlichen sollen:

      Schreibe einen Kommentar

      Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.