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Direkte Demokratie – wer trägt die Verantwortung?

Aufhänger: In der Schweiz kam es zur Überflutung eines Dorfes. Soweit so gut. Der Treppenwitz dabei ist, dass das gleiche Dorf zwei Mal über einen Hochwasserschutz abgestimmt hat und diesen beides Mal mit der Begründung, dieser wäre zu teuer, abgelehnt hat. Folge: Der Hochwasserschutz hätte 1,5 Mio. Schweizer Franken gekostet, während sich die aktuellen Schäden auf 3 Mio. Franken belaufen (Welt.de: http://ow.ly/bgfi30e1cq6). Es wäre leicht an dieser Stelle hämisch zu lachen. Auch könnte man sagen, dass es eben der Wille des Volkes war und auch Bürger Fehler machen bzw. die Schwarmintelliganz auch nicht immer greift. Auch könnte man ins Feld führen, dass das die schlimmsten bzw. größten Wassermassen seit 135 Jahren waren und man somit die aktuellen Überschwemmungen sehr schwer hätte voraussagen können. Alles vermutlich richtig.

Das Beispiel aus der Schweiz zeigt aber auch eine gravierende Herausforderung (ich will nicht “Problem” sagen) der direkten Demokratie – aber auch der Demokratie allgemein. Wähler – und leider auch Nichtwähler – müssen mit der Mehrheitsentscheidung leben. Und nicht nur das. Auch die politische Mehrheit muss später mit allen Konsequenzen leben und in gewisser Weise auch dafür gerade stehen. Später kann keiner behaupten nichts davon gewusst zu haben.

Trump als “Vorbild”?:

In den USA zeigt sich das Beispiele gerade sehr deutlich. Mit dem Slogan “America first” wollte Donald Trump neue Arbeitsplätze schaffen respektive bestehende Arbeitsplätze erhalten. Ergebnis seiner Politik sind jedoch einbrechende Investitionen (ausländische Investitionen sind um 40% gesunden http://bit.ly/2vV2rsY) aus dem Ausland. Aber nicht nur das. Durch die Förderung des Kohle-Sektors, wird der Sektor der erneuerbaren Energie stark gefährdet. Dieser hat aber rund drei mal soviel Arbeitsplätze, wie der Kohle-Sektor. Folge: Einbrechende Jobs in einem Zukunftsmarkt. Der Slogan “America first” hat am Ende also “America last” zur Folge.
Siehe auch: Donald Trump, der Job-Flunkerer

Doch zurück zum Schweizer Dorf:

Die Folgen der parlamentarischen Demokratie sind oft nicht direkt erkennbar, da diese zum einen zeitversetzt kommen und zum anderen durch viele andere Faktoren beeinflusst werden. Ganz im Gegenteil zur direkten Demokratie mit genau definierten Bürgerentscheiden. Sei es ein Verkehrschaos durch ein abgelehntes Parkhaus, oder wie in diesem Fall eine Überschwemmung durch fehlenden Hochwasserschutz. Hier kann man ein direkten Bezug herstellen: Bürgerentscheid zur Hochwasser-Sicherung abgelehnt = Überflutung des Dorfs.
Die finanziellen Kosten sind am Ende doppelt so hoch, wie die Sicherung gekostet hätte (3 Mio SFR. zu 1,5 Mio. SFR.). Wer steht aber jetzt “moralisch” dafür gerade? Wie verhalte ich mich gegenüber meinem Nachbarn, wenn ich weiss, dass mein Haus überflutet wurde, weil er oder sie mit “nein” zum Hochwasserschutz gestimmt hat? Was ist, wenn es Todesfälle gegeben hätte? Der Politik kann man in diesem Fall keine Schuld geben.

Eine “Folge-Berichterstattung” und/oder eine Studie wäre hier hilfreich

In Deutschland rufen immer mehr Leute nach direkter Demokratie – lassen wir mal bei Seite, dass immer die lautesten Minderheiten nach direkter Demokratie rufen, die denken, dass sie zur unterdrückten Mehrheit gehören – und wollen mit entscheiden und direkt in die Tages-Politik eingreifen. Wie verhalten sich diese Menschen, wenn am Ende heraus kommt, dass ihre Entscheidungen direkte und auch messbare negative Folgen für die Gesellschaften haben? Kommt es dann zu einem Umdenken? Gibt es Entschuldigungen? Werden wieder “die Politiker” dafür verantwortlich gemacht, die die Entscheidungen einfach nicht sauber umgesetzt haben?
(Cicero: Volksabstimmungen nützen in erster Linie populistischen Parteien)

Und: Wie wird wohl der nächste Bürger-Entscheid in diesem Dorf in Schweiz ausgehen? Fragen über Fragen …..

Exkurs: “Sind die Bürger zu dumm für direkte Demokratie?”

Kurzum: Nein!
Dumm würde bedeuten, dass es dem “Bürger” von Natur aus an Intelligenz fehlt, politische Entscheidungen zu überschauen und die Konsequenzen abzuwägen. Damit würde man auch jedem Politiker die geistige Fähigkeit ansprechen, da diese ja auch “Bürger” sind. Auch wenn eine laute Minderheit in den sozialen Medien alle Politiker für “dumm” und sich selbst für “klug” (Stichwort: Dunning-Kruger-Effekt) und damit für die besseren Politiker halten, sind die meisten Politiker in der Lage, ihre Handlungen zu planen und vielleicht auch zu reflektieren. Basierend auf dem politischen Lager, kommt dann eben eine komplett andere Zielrichtung und damit Heransgehensweise heraus (aussen vor lassen wir an dieser Stelle Lobbyismus und gegenseitig Kompromiss-Findung, die zwar zum politischen Tagewerk gehört, Entscheidungen aber oft verwässert und diese als halbgare Lösungen erscheinen lässt).
Fakt ist jedoch, dass die direkte Demokratie sehr anfällig für tagesaktuelle Entscheidungen und Populismus ist. Der Mensch an sich sehnt sich, gerade in einer immer komplexer werdenden Welt, nach einfachen und schnellen Lösungen. Dies bietet eine perfekte Grundlage für populistische Parteien, die genau diese schnellen Lösungen anbieten. Ob diese Lösungen dann am Ende zur Erfolg führen ist im Moment der Stimmabgabe oft nebensächlich.

Wer direkte Demokratie sagt, muss auch politische Bildung sagen, denn ohne politische Bildung im Allgemeinen und politisches Wissen im Speziellen (in diesem Fall Wissen um den jeweiligen Bürgerentscheid) kann direkte Demokratie schnell in einer “Diktatur der Mehrheit” enden. Die Schweiz konnte über die Jahrhunderte hinweg ihre direkte Demokratie bewahren. Dies aber auch nur, weil sie a.) ihre Unabhängigkeit hatte und b.) die Globalisierung nicht so weit Fortgeschritten ist wie heute, denn trotz Unabhängigkeit ist auch die Schweiz über Verträge und die globalen Wirtschaftsströme in ein internationales Geflecht von Staaten, Banken, Interessen, Geldströmen und politischen Schwankungen involviert. Dies hat, ob man will oder nicht, auch Auswirkungen auf die direkte Demokratie.

Weiterführende Links:

Große Mehrheit für Volksentscheide auf Bundesebene –> „Die Bürger sind heute gut informiert“
Das Volk ist unfähig zu komplexen Entscheidungen / –> Das Volk kann keine vielschichtigen Entscheidungen fällen
Die-Schattenseiten der direkten Demokratie / –> Manchmal sind die Lager auch einfach nur menschlich verfeindet, dann rückt der Inhalt in den Hintergrund
Leitartikel: Das Volk soll es richten / –> Bürgerentscheide machen Politik zudem konservativer, sie bewahren das Bestehende.
Wie dumm ist das Volk? / –> Zu verführbar für zu viel Mitsprache
Volksentscheide auf Bundesebene – eine Gefahr für die Demokratie?

 

 

EDIT:

Der Brexit ist ein schönes Beispiel. In diesem Cartoon sehr schön erleutert. Zuerst sich auf die Versprechungen der “Leaver” verlassen und dann Politiker die Arbeit überlassen.

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