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DE-Mail und E-Postbrief – Chaos dank Twitter und Web 2.0

Beginnen will ich den Artikel mit einem schlechten Kalauer:
Ein Gespenst geht um im Web 2.0. Das Gespenst vom E-Postbrief.
Und wie beim Originalzitat habe ich manchmal das Gefühl im Web 2.0 eine Auseinandersetzung vorzufinden, die mit gleicher Inbrunst und mit gleicher Schärfe geführt wird wie eine politische oder religiöse Debatte.

Blutsfede statt Aufklärung:
Piraten und „Staatsverweigerer“ schreien Mord und Zetere beim Gedanken daran im Internet per E-Postbrief und De-Mail identifizierbar zu sein. Befürworter schreiben von den guten Seiten der rechtssicheren und rechtsverbindlichen Kommunikation. PGP-Anhänger beschweren sich über der Preise und die fehlende technische Sicherheit im Bereich der Verschlüsselung. Anwälte und Juristen wiegen verschiedene Gesetze und Rechtsvorschriften gegeneinander ab.
Die Gegner betiteln die Befürworter als gekauft oder blind. Die Befürworter unterstellen Gegnern und Kritikern Paranoia. Firmen werden kritisiert. Kritiker werden ebenfalls kritisiert. Rückkritiker werden rückkritisiert. Kritisierte Rückkritiker werden erneut kritisiert usw.
Wie bei vielen emotionalen Themen erinnert die Auseinandersetzung mit dem Thema eher einer digitale Blutsfede als an eine Durchleuchtung und sachliche Klarstellung der Fakten.

Chaos dank Twitter und Co.:
Auf Twitter wurde geschrieben, dass es durch die unterschiedlichen Produkte De-Mail und E-Postbrief zum Chaos für den Benutzer käme.
Was wirklich Chaos verursacht sind die polemischen und persönlichen Blogeinträge und Kommentare (die Kommentare in manchen Blogeinträgen sind teilweise wichtiger als die Einträge selber). Will man sich als unsicherer und eventuell zukünftiger Nutzer der beiden Systeme ein Bild davon machen, muss man sich durch eine kaum zu überschauende Zahl an Einträgen und Kommentaren wühlen. Aber nicht die Anzahl ist das Schlimme sondern die Formulierungen (wieder inklusive der Kommentare). Je nach Autor möchte man entweder sofort die nächste Poststelle „abfackeln“ oder die nächste Postdame heiraten. Gemässigte und sachliche Beiträge findet man kaum und wenn, dann werden sie in den Kommentaren auseinander genommen. Oft hat man das Gefühl, dass im Web 2.0 eine (versuchte) neutrale Sichtweise einer Firma von manchen Kritikern als PR ausgelegt wird. Bei manchen Sachen traut man sich kaum dafür zu sein, aus Angst man löst eine Welle der Entrüstung aus. Ganz nebenbei. Freie Meinung schliesst auch das Recht mit ein für etwas zu sein. Nicht nur Protest und Kritik.

Verschiedene Quellen und verschiedene Meinungen:
Richard Gutjahr hat auf einem durch Twitter weit verbreiteten und vielleicht über tausendmal gelesenen Artikel die seiner Meinung nach verehrenden AGB’s der Deutschen Post auseinander genommen. Seiner Meinung nach bürden die AGB’s, welche man als Kunde ja akzeptieren muss, dem Nutzer unmenschliche und fast schon rechtswidrige Pflichten auf. Auch Netzpolitik.org und Daten-Sicherung.de werden nicht müde die negativen Seiten der Systeme zu unterstreichen, die von Preisen über Verschlüsselung bis hin zu Abhörmassnahmen durch den Staat reichen. Vielen Leser und Kommentatoren sprechen die Artikel dabei aus der Seele. Sie fühlen sich in ihrer Sichtweise bestärkt, dass beide Systeme von Grund auf schlecht und zu verachten sind. Und wie bei Religionsdebatten scheuen sie manche auch nicht ihre Meinung in die Weiten des Web 2.0 hinaus zu schreien und Meinungsgegner anzugreifen und der Käuflichkeit zu bezichtigen.
Mirko Lange hat hat auf Talkabout eine sehr interessanten Artikel (ich sage nicht gut oder schlecht) zum Thema „Shitstorming“ geschrieben. Darin beschreibt er wie Kritik an einem Produkt oder an einer Firma sich zu einem Sturm entwickeln kann, der am Ende eigentlich kaum noch etwas mit sachlicher Kritik zu tun hat. Nebenbei ist der Artikel auch von der medienwissenschaftlichen Seite her sehr interessant. Auch sein Versucht etwas mehr Sachlichkeit (siehe die einzelnen Punkte) in die Debatte zu bringen wird in den Kommentaren angegriffen.

Unbeantwortete Fragen:
Dennoch bleib zumindest für mich und vielleicht auch für ein Grossteil der Leser die Grundlegenden Fragen unbeantwortet. Was sind die Fakten und die reellen Auswirkungen auf mich als Kunde, auf meine Daten und als freier Bürger.
Wie immer bei heiß geführten Debatten werden die Fakten nebensächlich. Was steht im Gesetzt und was steht in den AGB’s? Für mich zwei total unterschiedliche Ansatzpunkte. Das eine ist ein Gesetzt vom Staat, dass andere die „Vertragsbedienungen“ einer Firma. Welche Paragraphen sind für mich als Endkunde wichtig? Muss ich wirklich meine E-Postbrief Postfach täglich leeren oder sichert sich die Post mit dieser Formulierung nur selber vor Rechtsansprüchen ab? Darf der Staat meine Korrespondenz mitlesen und wie oft ist das bereits vorgekommen? Ist das „Abhörrecht“ ein Problem von De-Mail und E-Postbrief oder einfach ein Problem der kompletten deutschen Rechtssprechung? Sind die Systeme jetzt eigentlich E-Mails oder am PC verfasste Briefe? Diese Liste könnte fast unendlich vorgesetzt werden. Und je nach gelesener Quelle findet man andere Antworten. Natürlich ist es auch Fakt, dass zu gewissen Punkten im Moment einfach niemand genau weiss, was die Zukunft bringen wird. Im Moment gibt es noch keine Rechtsurteile und keine Beispielfälle, auf die man sich als Präzedenzfälle stützen könnte. Somit hängt vieles noch in der Luft.
Doch bei allen von mir gelesenen Artikeln und Kommentaren höre ich im Hinterkopf immer den Focus Chefredakteur aus der TV-Werbung. „Fakten, Fakten, Fakten und immer an die Leser denken“. Doch irgendwie scheinen mir ein Grossteil der Autoren dies zwar vorzugeben aber kaum zu machen. Sicherlich sind zur Vorsicht mahnende Artikel absolut sinnvoll. Wenn diese aber unreflektiert weitergetragen werden, Vermutungen nach ein paar Tagen zu feststehenden Fakten werden (auch Dank Twitter und Beschränkung auf 140 Zeichen und damit zusammenhängende Verstümmlung der Grammatik wodurch aus „könnte“ schnell ein „ist so“ wird) und dann immer auf die gleiche Kerbe eingedroschen wird, bringt das niemand etwas ausser denjenigen, welche die Kerbe schon von Anfang an gesehen und beackert haben.

Blogeintrag oder offener Brief?:
Eigentlich könnte man diesen Beitrag auch als offenen Brief an die Web 2.0 Schreiber und De-Mail bzw. E-Postbrief Blogger nennen. Als ich Anfang Oktober 2009 angefangen habe über De-Mail und den E-Postbrief (damals noch Onlinebrief) zu schreiben waren die Reaktionen in den Blogs und auf Twitter minimal bis kaum vorhanden. Obwohl schon damals zwar nicht alle aber dennoch einige Punkte über die heute mit religiösem Eifer gestritten wird zumindest im Ansatz ersichtlich waren. Doch damals schien das irgendwie niemanden gross „gejuckt“ zu haben. Nur ein paar Kritiker meldet sich mit den üblichen Warnung vor einem Georg Orwell Staat zu Wort. Kaum jemand machte sich die Mühe Fakten, Gesetze und AGB’s (soweit diese damals überhaupt vorhanden waren) zu durchsuchen.
Heute wird zwar jeder Paragraph auseinander genommen, aber schlauer wird der unsichere Nutzer dadurch kaum.
Sicherlich könnte man an dieser Stelle sagen, so läuft das eben mit dem Web2.0. Leute, auf die früher ausserhalb des Stammtisches keiner gehört hat dürfen jetzt fröhlich ihre „Weisheiten“ per Twitter und Kommentarfunktion unters Volk streuen. Richtiger werden diese „Weisheiten“ dadurch kaum.
Vielleicht ist das Thema und jeder einzelne Paragraph und AGB-Punkt auch viel zu komplex um es mit nur einem oder zwei Blogeinträgen zu behandeln. Ein Argument warum auch Zeitungsartikel zu diesem Thema „für die Katz sind“. So komplex und vielschichtig wie das Thema ist, könnte man einen eigenen Blog damit füllen. Vielleicht wäre dies ein Ansatzpunkt. Man eröffnet einen Blog in dem jeder einzelne Punkt von Rechtssicherheit über Preis bis hin zu Farbe der Webauftritte im einzelnen behandelt wird. Somit könnte Punkt für Punkt aufgesplittet werden. Aber wer macht sich schön die Mühe dort zu schreiben und welcher Leser findet den Blog im weiten Internet. Es bleiben also die Blogs der Multiplikatoren, die Tweets der Piraten, Gegner und Befürworter.
Der suchende Leser muss also weiterhin seinen Weg durch ein Labyrinth der Meinungen bahnen.

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