Seit Jahren sehe ich in einigen Twitter-Profilen den Hinweis “bin hier privat unterwegs”, “die Tweets sind meine private Meinung” und andere ähnliche Formulierungen. Und seit Jahren frage ich mich nach dem Sinn dieses “Mini-Disclaimers”. Dabei komme ich immer wieder zum Schluss, dass er, egal wie man es dreht und wendet, unsinnig ist.
Man sieht ihn gerne bei Twitteratis, die auch beruflich viel im Internet unterwegs sind oder sogar als Social Media- oder Community-Manager den Twitter-Account ihrer Firma betreuen. Einen Disclaimer, der allen Besuchern des Twitter-Profils anzeigen soll, dass es sich um den privaten Account der jeweiligen Person handelt und nicht um einen Firmen-Account.
Wäre es der Firmen-Account, wäre es kein privater Account
Als versierter Internet-Reisender stellt man sich Frage, warum dieser Disclaimer notwendig scheint. Zwar kennt Twitter keine Profil/Seiten-Trennung wie Facebook, aber es gibt andere Wege dies zu kennzeichnen – Name, Nutzername, Profil-Foto, Header-Bild usw.. Würde ich als Leser den Firmen-Account eines Unternehmens suchen, dann würde ich z.B. über die Website des Unternehmens den offiziellen Firmen-Account bei Twitter ansteuern – schon allein um mich vor Fake-Accounts zu schützen. Auch helfen bei größeren Firmen die verifizierten Accounts bei der Identifizierung. Ich würde nicht den Twitter-Account des CEO, des Social Media Managers, des Lageristen oder des Pförtners ansteuern. Das würde ich dann machen, wenn ich an den privaten Tweets der jeweiligen Person interessiert wäre. Jede offizielle Kommunikation und damit jedes offizielle Firmen-Statement, erwarte ich dafür auf dem Firmen-Account. Was für mich bedeutet, dass der eigene Twitter-Account des Social Media Managers immer privat ist. Auch mit den Hintergedanken, dass Mitarbeiter wechseln können.
Man ist nie privat im öffentlichen Netz unterwegs
Lassen wir mal den NSA-Skandal an dieser Stelle bei Seite. Was könnte ein CEO oder Social Media Manager dann privat auf seinem Twitter-Account schreiben, was nicht mit der Firmenpolitik oder den Aussagen des offiziellen Firmen-Accounts d’accord geht? Eigentlich nichts, da jeder Mitarbeiter einer Firma in jeder Position immer auch ein Aushängeschild des Unternehmens ist. Vom Pförtner bis zum CEO kann kein Mitarbeit – zumindest ohne Konsequenzen befürchten zu müssen – Meinungen äußern, die diametral den Meinungen seines Unternehmens widersprechen – weder online noch offline. Somit ist jeder Twitter-Account – wenn dieser nicht für Fremde gesperrt ist – ein Stück weit auch ein Firmenaccount bzw. der Account eines Mitarbeiters eines Unternehmens. Der Zusatz “meine private Meinung” ermöglicht es darum auch nicht, gegensätzliche Positionen zu seinem Unternehmen zu vertreten, ohne in gewisse Schwierigkeiten zu kommen.
Rechtliche Aspekte
In Deutschland muss jede Website und jede Facebook-Seite, die nicht per Passwort geschützt ist und/oder sich ausschließlich an die eigenen Familienmitglieder richtet ein Impressum besitzen. Wie sieht es jedoch bei privaten Facebook- und Twitter-Profilen aus, die zur Eigenreputation und zum “self branding” genutzt werden? Ab wann ist auch ein privates Facebook-Profil und ein privater Twitter-Account gewerblich? Wieviel Retweets der eigenen Firma sind erlaubt? Schützt hier der Zusatz “bin hier privat unterwegs” vor einer Impressumspflicht?
Fazit
Es muss sich zeigen, ob der Twitter-Account eines CEO oder Social Media Manager eher privat oder geschäftlich genutzt wird. Gerichtsurteile gibt es meines Wissens noch nicht.
Als CEO oder Social Media Manager bringt der “Privat-Zusatz” oder Disclaimer in der Twitter-Biographie meiner Meinung nach jedoch nichts, denn entweder man ist offiziell als Unternehmen auf dem offiziellen Firmen-Account unterwegs oder man ist zwar privat auf Twitter unterwegs, aber doch nie so privat, dass man über sein Unternehmen und dessen Themen schreiben könnte, was man will. Der Disclaimer ist also mehr als überflüssig.
Gerne höre ich Gegenmeinungen und weitere Argumente. In welchen Fällen schützt der Disclaimer wen wovor?
Mein privater Account 🙂
https://mastodon.social/@ralfbachmann
https://ralfbachmann.bsky.social/
EDIT 05.01.2013:
Die Zeit berichtet von einem Urteil zum Thema Schleichwerbung auf Facebook, welches sich vermutlich in der einen oder anderen Abwandlung auch auf andere soziale Netzwerke übertragen lässt. Der Angestellte eines Autohauses hatte auf seinem privaten Profil Auto-Angebote seines Arbeitgebers geteilt. Dies war für das Gericht Schleichwerbung und darum verboten: “den Bereich privater Lebensgestaltung auf Facebook zu Gunsten geschäftlicher Tätigkeit verlassen”. Udo Vetter und Thomas Schwenke sehen aber keine Grund zur Panik. Vermutlich sind nur solche Posts riskant, die direkt ein Angebot inkl. Preise bewerben. Die Erwähnung respektive das loyale Anpreisen des Arbeitgebers dürfte vermutlich nicht unter diesen Entscheid fallen.
In Anlehnung an den oberen Beitrag, sehe ich jedoch den Tipp: “Der Berliner Anwalt (Thomas Schwenke; eigen. Anm.) schult Mitarbeiter darin, in sozialen Medien immer ausdrücklich zu betonen, dass sie nur für sich sprechen” für wenig hilfreich, wenn der Arbeitnehmer dann doch Schleichwerbung auf dem privaten Profil postet.
