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Paywalls: Starke Marken im Journalismus sind Wunschdenken – wir müssen größer denken

Paywalls: Starke Marken im Journalismus sind Wunschdenken

oder: Wie der Egoismus der Verlage dem Journalismus schadet!

Werbung, AdBlocker, “Anti-AdBlocker*” und Paywalls scheinen (mal wieder oder immer noch) die großen Themen im Journalismus 2017 und 2018 zu sein. Alle Seiten rüsten auf. Die Verlage bei der Werbung (mehr, schlauer, aufdringlicher, Videowerbung), bei “Anti-AdBlockern” und bei Paywalls und die Nutzer wiederum bei AdBlockern, bei “Anti-AdBlock Killern**” und je nach Art der Paywall, bei kleinen Tricks diese zu umgehen. Trotz einiger Erfolge einzelner Verlage (test.de, New York Times, Norwegen/taz, Schwäbische Zeitung, Meedia: Der große Paid-Content-Vergleich von New York Times bis taz: Wer verdient wieviel mit Digitalabos?) befinden sich viele Zeitungen und Verlage im freien Fall und können sich oft nur mit Querfinanzierungen, (Klein)Anzeigen und massivem Werbeeinsatz halten. Und bei ihrem Sturzflug nehmen sie den Journalismus nicht nur inhaltlich, sondern auch technisch gleich mit. Zeit endlich größer zu denken.

Gerade erst hat Thomas Knüwer auf ‘indiskretionehrensache.de‘ in den sehr gut & spitz formulierten Artikel “Warum Paid Content mit journalistischen Inhalten nicht funktioniert” (Paid Content-Träume, leicht einen sitzen und ein paar Medienkonferenztermine) veröffentlicht und darin (mal wieder; aber berechtigt) die Trägheit der Verlage angeprangert und ganz klar aufgezählt, warum seiner Meinung nach Paid Content – so wie er aktuell von vielen Verlagen praktiziert wird – nicht funktioniert.

Sprich: Der Journalismus wie er heute betrieben wird, ist nicht Paid-Content-fähig – und die Gegenfinanzierung über Werbung haben sich die Medienhäuser selbst versaut. Die Verantwortlichen haben versagt.

Seiner Meinung nach herrscht seit 2001 eine desaströse Vorstellung in deutschen Verlagen zum Thema Journalismus-Finanzierung. Fainesshalber listet Thomas Knüwer aber auch Gegenmaßnahmen auf, die mindestens eingehalten werden müssen, damit Journalismus bzw. Paid-Content im 21. Jahrhundert funktioniert.

Also keine Chance für bezahltes Internet? Doch. Aber nur, wenn mindestens vier Bedingungen erfüllt sind: Originäre Qualitätsinhalte, erstklassige Internet-Funktionalitäten, einfache und sichere Zahlungsmöglichkeiten, eine starke Marke.“

Auf die originären Qualitätsinhalte (Stichwort: unique content) und die Sicherheit bei der Bezahlmethode soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden, da sich diese Punkte meiner Meinung nach von selbst verstehen. Allerdings sollten wir uns beim Thema Journalismus-Finanzierung die Art der Bezahlmethode und die Wichtigkeit der Marke genauer anschauen.

Social Media – nicht der Grund allen Übels aber der Grund der Veränderung

Social Media musste bereits für viele Kritiken im Journalismus herhalten und sicherlich ist nicht alles Gold was glänzt, aber Social Media die Schuld für den Untergang des Journalismus zu geben, ist deutlich übertrieben. Aber Social Media hat die Art und Weise, wie wir “News” konsumieren stark beeinflusst. Für viele junge Menschen ist die Facebook-Timeline auch ein Nachrichten-Stream in dem entweder durch ein Like der jeweiligen Fanpage oder durch Empfehlungen der Freunde, Nachrichten von Zeitungen und Magazinen eingespielt werden. Man kann an dieser Stelle nun diskutieren, ob Facebook wirklich dafür da ist Unternehmen und Verlagsprodukten zu folgen, wie sich die sinkende Reichweite in 2016/2017/2018 auf die News-Zusammensetzung in der Timeline auswirkt, ob viele Nutzer nur noch die Überschrift eines Artikel auf Facebook lesen und sich informiert fühlen und wie sich dieses Verhalten auf die öffentliche Diskussionskultur und auch den Schreibstil der Artikel auswirkt. Wichtig, aber an dieser Stelle geschenkt!
Social Media ist aber aktuell (noch) ein wichtiger Faktor, wenn es darum geht, über welche Kanäle die Menschen auf ein journalistisches Produkt aufmerksam werden – also die Quelle, über welche die Leser auf die Website der Zeitung gelangen. Grob könnte man sagen: je konservativer und je älter eine Zeitung ist, desto weniger Social Media Traffic. Wie Trafficleaks aber zeigt, liegen die Zahlen oft zwischen 10-25%. An dieser Stelle wären z.B. die Zahlen von Buzzfeed als “junges Medium” interessant.

Gleichzeitig haben es klassische Medien in bzw. auf Social Media aber immer schwerer als Marke wahrgenommen zu werden. Noch schlimmer: Sie werden austauschbarer.

But a new report this week (Juni 2016; eigene Anmerkung) by the Reuters Institute for the Study of Journalism suggests that the rise of social media as a journalistic platform is also changing the way readers understand what news is and how it is produced. […] Social media is not just a new way to access and read news, it is also changing the patterns and culture around news consumption. […] In the US, only 52 percent reported that they notice news brands on social media, and only 49 percent on aggregators. In Japan and South Korea, brands are only noticed about a quarter of the time when accessed through aggregators. […] Even if readers are tangentially aware of branding when they see a news article on social media, it’s possible that over time the strength of this branding will be diluted by how it is presented in newsfeeds. […] And the erosion of brand loyalty poses a threat to the integrity of journalism. As brands become less visible, there is a danger that the lines between news and information, reporting, and narrative will become blurred. […] The awareness of news organization brands also has implications for the business models of newspapers. Facebook has both provided a new venue for newspapers to reach readers and enabled people to see diverse publications in their newsfeeds. But if people aren’t aware of which outlets their news is coming from, they may be less likely to pay for particular brands (eigene Hervorhebung). The danger of this is that publishers themselves will become irrelevant.

Zwischenfazit: Das bedeutet also, dass Verlage über Social Media ihre Reichweite aufbauen und gleichzeitig ihre Marke abbauen. Beides wird aber benötigt, um auf die eine oder andere Weise Geld zu verdienen.

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Starke Marken im Journalismus sind Wunschdenken – wir müssen größer denken

Wie Thomas Knüwer bereits schreibt, ist eine starke Marke eine Notwendigkeit für den Erfolg einer Paywall. Ich glaube jedoch – und hier freue ich mich auf Diskussionen -, dass es in Deutschland keine starken Marken im Journalismus gibt. Also Marken respektive Zeitungen und Magazine, deren Marke so stark wie Amazon, Paypal usw. ist. Eine Marke also, deren Strahlkraft bis in den letzten Winkel der Republik oder sogar in den kompletten deutschsprachigen Raum reicht und die somit auch zahlende Kunde in der ganze Republik hat. Vielleicht kann es im Journalismus so eine Marke auch gar nicht geben, da Zeitungen kaum beides sein können – groß auf Bundesebene und gut im Lokalen und das ebenfalls bundesweit. Das spielt aber an dieser Stelle keine Rolle. Was eine Rolle spielt, ist der Internetnutzer, der sich auf der einen Seite nicht bei 100 Zeitungen kostenpflichtig registrieren will – im ‘worst case’ sogar nur wegen ein bis zwei Artikeln im Monat, gleichzeitig aber globale & einfache Lösungen wie E-Bay, Amazon, Paypal etc. kennt und auch hier die Messlatte anlegt (Stichwort: Usability). Oder anders ausgedrückt: Die starke Marke einer regionalen Zeitung ist für den weltoffenen und fluktuativen Social-Media-Nutzer immer noch viel zu klein und zu begrenzt, während eine große Zeitung wie z.B. die SZ, FAZ oder NZZ nicht ins tiefste Lokale vordringen kann. Wenn ein Nutzer also seine Bezahlinformationen freiwillig her geben soll, benötigt er eine Marke & eine Technik á la Amazon und Co.. Und genau hier fängt das größere Denken an. Verlag sollten meiner Meinung nach auf globale oder zumindest bundesweite Bezahlsystem wie z.B. Laterpay oder Plenigo (keine Werbung; nur Bsp.) umsteigen oder als Kooperation ein (in Zahl: 1) eigenes und verlagsübergreifendes Programm aus der Taufe heben.

Think big! – Bigger als deine eigene Marke!

Auf der anderen Seite verhindern Paywalls aber gleichzeitig den Aufbau einer großen Marke – “Paywalls work if you want to monetize rather than expand” – indem sie neue und potentielle Käufer/Abonnenten von ihrem Angebot ausschließen und auch, indem Links zu Artikeln mit Paywalls deutlich weniger in Social Media geteilt werden und so die einzelnen Artikel deutlich weniger Reichweite bekommen.

Exkurs Gedankenexperiment: Was würde wohl passieren, wenn Paypal und Amazon als “Global-Player” ins Paywall-Geschäft einsteigen würden und man jeden Zeitungsartikel “weltweit” für 39 Cent mit dem Amazon-Konto oder dem Paypal-Konto bezahlen könnte und das mit nur einem Klick? Genau diesen Weckruf hat jetzt Facebook gehört. Nachdem immer mehr Verlage sich aus Instant Articles zurückgezogen haben, versucht nun Facebook ein Bezahlmodell aufzubauen, bei dem Instant Articles von Verlagen direkt auf Facebook per Abo gelesen respektive bezahlt werden können. Das heisst, dass Facebook-Nutzer – vermutlich über ihre Kreditkarte – Zugang zu den kostenpflichtigen Facebook-Posts großer Zeitungen erhalten und vermutlich pro Artikel oder im Abo bezahlen – aber eben mit einem einzigen Abo. Egal wie, wann und ob das Bezahlmodell ausgerollt wird (erste Tests laufen wie immer nur in den USA), zeigt es jetzt schon die Richtung. Es braucht eine global “Macht” um ein flächendeckendes Bezahlmodell einzuführen, da es die “kleinen” Verlage nicht schaffen.

Bitte nicht falsch verstehen. Verlage wie der Spiegel, Bild, die Schwäbische Zeitung, die Badische Zeitung, die Süddeutsche Zeitung usw. sind große regionale und überregionale Marken und geben sicherlich alles dafür ihre Marken und Umsätze noch mehr wachsen zu lassen, aber durch ihren Solo-Kampf mit dem Markt und dem Leser, sind sie so starr, dass sie es nicht schaffen ein übergreifendes Bezahlssystem einzuführen und dadurch wiedereinmal Facebook und Co. das Feld, die Einnahmen und die Macht überlassen. Natürlich gibt es auch Argumente, die für eine Inhouse-Lösung sprechen, aber im großen und ganze geht es doch um “Convenience” – einfache und schnelle Produktwahl und Bezahlung.

Wie ein übergeordnetes Bezahlsystem den kompletten Journalismus fördert

Ein enormer Vorteil von Laterpay & Plenigo sind z.B. WordPress-Plugins (25% aller Website im Internet basieren auf WordPress) respektive die Möglichkeit auch kleine Websites (sogenannte Nischenwebsites) mit Paywalls zu versehen. So wächst das theoretische “Netzwerk” an Paywalls enorm an. Welchen Vorteil aber haben nun große Verlage, wenn kleine Websites (an dieser Stelle erstmal unabhängig der Qualität deren Inhalte) ebenfalls eine Paywall hochziehen und ihre Inhalte verkaufen?
Hier muss man sich nur mal Paypal genauer anschauen. Durch einen Account und damit eine Stelle für die hinterlegten Bank- und Kreditkartendaten, können Kunden bei so gut wie allen Webshops sicher bezahlen, was Paypal zum zweitliebsten Online-Zahlungsmittel in Deutschland 2016 machte (Studie: ECC) – einfach, schnell, sicher und in 1000den von Webshops akzeptiert (und vielleicht bald auch Amazon). So sollte auch eine Paywall sein.

Doch zurück zur Frage: Was dies den großen Verlagen bringt? Je größer das Netzwerk respektive die Zahl der Akzeptanzstellen ist, desto größer die Anziehungskraft auf den Endnutzer, so dass dann theoretisch auf hunderten von Verlagsseiten mit dem gleichen System bezahlt werden kann. Aber Achtung, es reicht nicht eine Paywall hochzuziehen und als Bezahlvariante Paypall anzubieten. Die Einfachheit und Schnelligkeit der Bezahlvariante muss greifen, sobald der Leser auf die Bezahlschranke trifft und dort mit nur einem Klick den jeweiligen Artikel kaufen kann.

Micropayment vs. Abo-Modell

Schon seit Jahren streiten sich die Experten, welche Form der Paywall die Besserer ist. Micropayment, also die Abrechnung nach einzelnen Artikel oder eine Abo-Modell im Sinne eines monatlichen Abos für alle Online-Artikel. Je mehr die Menschen über Quellen wie Facebook, Twitter, Google, Whatsapp und Co. auf die Seite kommen, umso mehr ergibt ein Micropayment Sinn, da dann die Besucher immer nur sporadisch auch vielleicht auch von ausserhalb des Verteilungsgebietes (falls vorhanden) kommen und jeder Artikel für sich alleine steht. Je größer die Marke und mehr “Einstiege” über die Startseite, um so mehr ergibt eine klassisches Abo-Modell Sinn. Aber auch hier sei wieder Thomas Knüwer zitiert:

Social Media hat die Nachrichtenfilterung drastisch verändert. Zu jedem Zeitpunkt erfahren Menschen heute via E-Mail, Facebook oder Twitter von den Nachrichten, die sie tatsächlich interessieren. Hinzu kommen innovative Filter wie Flipboard, Zite oder Rivva. So landet heute weniger als die Hälfte aller Leser auf der Startseite eines Nachrichtenangebots. Die Tipps ihrer Kontakte auf Facebook oder Twitter sowie die Sucherergebnisse von Google oder Bing lotsen sie direkt auf die Artikel, die am besten recherchiert und am schönsten geschrieben sind, und auf die Videos, die besonders hinguckenswert sind. […] Diese Leserflüsse stehen kaum im Fokus von Nachrichtenredaktionen. Viel Aufwand wird betrieben, die Startseite ständig aktuell zu halten. Doch was Quereinsteiger vorfinden, scheint egal. (Fangt endlich an!)

Die Analyse woher die Besucherströme kommen, muss jeder Verlag und jedes Medium für sich selber entscheiden. In Zeiten der “Häppchen-Kommunikation” auf Social Media und WhatsApp, kann sich aber jeder ausmalen woher die meisten Leser kommen.

Woher kommt diese starre Haltung der Verlage? Aus der Historie, aus Angst Zahlen und Daten aus der Hand zu geben, aus Selbstüberschätzung, weil man in seinem Verbreitungsgebiet oft der Monopolist ist? Möchte man anderen Verlagen nichts gönnen, auch auf die Gefahr selber dadurch Schaden zu nehmen?
Zu Beginn des Artikel habe ich die Behauptung aufgestellt, dass die Verlage in ihren Sinkflug den Journalismus mit hinunterziehen. Ein “globales” Bezahlsystem, welches einfach zu handhaben ist, könnte den Widerstand der Leser so senken, dass alle davon profitieren – kleine und große Websites. Und am Ende – so die Hoffnung – würde guter Journalismus wieder gutes Geld einbringen.

siehe auch: Monetarisierung von Instant Articles: Facebook zahlt Verlagen pro Tag insgesamt eine Million Dollar aus


Fussnoten/Erklärungen:

*Anti-AdBlocker sind Techniken bzw. auf einer Website installierte Programm und Codes, die einen AdBlocker beim Besucher erkennen und die Website respektive den Inhalt sperren. So sollen Besucher gezwungen werden, den AdBlocker zu deaktivieren, wodurch die Verlage mit der einblendeten Werbung auf der Website wieder Geld verdienen. Kurz: Werbung schauen oder keinen Inhalt sehen.
** Es gibt jedoch bereits mit “Anti-Adblock Killer für Firefox” Zusatzprogramme, die den “Anti-AdBlocker” anscheinend aushebeln, so dass der Inhalt trotz AdBlocker angezeigt wird. Das Wettrüsten geht also auf allen Seiten weiter.

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Paid Content: Die Strategien der Verlage

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Warum beschweren sich deutsche Verleger nicht schon längst über Facebook?

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Ich glaube persönlich nicht. Auch wenn große Marken wie Facebook und Youtube sicherlich über die nächsten Jahre die Sensibilität der Konsumenten hin zu “Paid Content” stärken werden, wird dies kaum eine relevante Strahlkraft auf “Paid Content” oder auch Paywall-Modelle der lokalen/regionalen Zeitungen in Deutschland haben. Sicherlich könnte ich mir vorstellen, dass Zeitungen ihren Inhalt über Facebook “verkaufen”, dann hätten wir jedoch wieder das oben erwähnte Modell, dass ich einen einzelnen “Abrechungsprozess” – nämlich Facebook oder Youtube – habe, mit dem ich den Inhalte oder zumindest den Zugang zum Inhalt “abwickeln” kann. Die große Marke ist also Facebook oder Youtube. Sicherlich kann dann durch eine gute Positionierung und gutes Community-Management eine Zeitung über die jeweilige Gruppe ihr Image ausbauen und steigern, aber ich glaube kaum, dass eine signifikante Anzahl an Nutzern aus diesem Grund ein Online-Abo bei einer lokalen Zeitung abschließt. Die Strahlkraft auf die eigene Paywall respektive das eigene Abo-Modell wird also mehr als gering sein.

Was aber auch spannend wäre, wäre ein Kombi-Paket. Abonnenten einer Zeitung bekommen freien Zugang zur kostenpflichtigen Gruppe auf Facebook. Wie so eine Lösung jedoch technisch zu bewerkstelligen wäre, steht noch komplett in den Sternen (Stand 1. Juli 2018).

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