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The electric avenue in Friedrichshafen

Elektromobilität zum Anschauen – Anfassen – Abfahren: Mit der electric avenue, einer Messe nur für Elektromobiliät, hatten die Besucher vom 17.-20. Mai 2012 zum vierten Mal die Gelegenheit Elektrofahrzeuge aller Art anzuschauen, anzufassen und auch selbst zu fahren. Eine der herausragenden Besonderheiten der Messe war vermutlich die Tatsache, dass fast alle ausgestellten Fahrzeuge keine Studien- und Concept-Cars waren, sondern bereits zu diesem Zeitpunkt oder wenige Monate später beim Händler vor Ort standen.

Vom Elektroroller über das ausgewachsene Elektromotorrad bis hin zu diversen Elektro- und Hybridautos waren so ziemlich alle Formen der Elektromobilität vertreten, die der Markt zu diesem Zeitpunkt zu bieten hatte – sei es der serielle Plugin-Hybrid Opel Ampera, der voll elektrische Nissan Leaf, der kleine Elektrosmart oder diverse zweirädrige Elektrofahrzeuge. Und mit wenigen Ausnahmen stellten fast alle Austeller der „electric avenue“ ihre Fahrzeuge für Probefahrten zur Verfügungen und hatten teilweise auch gleiche mehrere Exemplare vor Ort. Eine ideale Chance, die unterschiedlichen Ansätze einmal selber zu testen und zu erleben.

Opel Ampera:
Der Opel Ampera dürfte wohl der erste serielle Plugin-Hybrid von vielen werden. Bereits jetzt arbeiten andere Hersteller an gleichen oder ähnlichen Systemen. Der Unterschied zum bereits bekannten Hybridantrieb ist, dass im Vergleich zu bisherigen Modellen der Elektroantrieb nicht nur für das Anfahren auf den ersten Metern gedacht ist, sondern das Auto für einige Kilometer auch bei voller Beschleunigung rein elektrisch bewegt werden kann. Beim Ampera bedeutet das circa 65-70km (laut Werk 80km) reiner Elektroantrieb. Erst danach schaltet sich der 1,4Liter Corsa-Motor zu, der jedoch das Auto nicht direkt antreibt, sondern lediglich als Rage-Extender (Reichweitenverlängerer) den Strom für den Elektroantrieb produziert. Der Benzinmotor funktioniert somit als eine Art Notstromaggregat. Der Ampera schafft beeindruckende 160km/h und dies auch ohne Benzinmotorunterstützung. Leider schmilzt bei voller Geschwindigkeit die Akkuladung wie Eis in der Sonne. Dennoch kann der Ampera bei guter Planung für einen Großteil der Fahrten im näheren Umkreis als reines Elektroauto verwendet werden. Das Laden dauert, auch wegen der fehlenden Schnellladefunktion, vier Stunden. Für einen ausführlicher Testbericht bitte dem Link folgen [Ampera Pressetermin]
Was die Ausstattung anbelangt ist der Ampera auf der Höhe der „Elektroautozeit“. Ein Computer berechnet die Reichweite und gibt Tipps für eine stromsparende Fahrweise und stromsparende Einstellungen der Klimaautomatik. Eine Besonderheit stellt die zusätzliche Motorbremse dar, die manuelle über den Schaltknauf aktiviert werden kann und zusätzliche Bremsen aktiviert, welche die Rekuperation, also die Energierückgewinnung durch den Bremsvorgang, erhöhen. Gedacht ist diese Motorbremse für längere Fahrten bergab. Wer jedoch vermehrte Handarbeit nicht scheut, kann diese Bremse bei vorrausschauender Fahrweise auch sehr gut zum Abbremsen des Wagens während einer regulären Fahrt nutzen und so die Reichweit merklich erhöhen. Als Fahrmodi bietet der Ampera die Wahl zwischen sportlich und normal. Diese unterscheiden sich lediglich durch etwas sportlichere Gasannahme bei der Beschleunigung. Auf die Bremskraft und die Rekuperation haben die Fahrmodi keine Auswirkungen.

Nissan Leaf:
Die trockenen Zahlen des Nissan Leaf sind für ein reines Elektroauto der ersten Stunde recht anschaulich. Der Leaf hat einen Reichweite von 160km, eine Maximalgeschwindigkeit von 145km/h (gedrosselt) und benötigt 11,9 Sekunden von 0 auf 100km/h. Geladen ist der Leaf per Schnellladefunktion in 30 Minuten auf 80 Prozent. Die restlichen 20 Prozent sollen laut Standpersonal weitere 30 Minuten benötigen. Hat man nur einen Haushaltsstecker zur Hand, dauert der komplette Ladevorgang acht Stunden. Was die Ausstattungen betrifft, gibt es den Leaf nur in einer, wenn auch gehobenen, Grundausstattung zu der alle bekannten Extras wie z.B. auch eine Rückfahrkamera gehört. Wer will kann und darf aber noch etwas mehr Geld in die Hand nehmen und sich z.B. ein Sitz- und Lenkradheizung oder eine Solarzelle auf dem Heckspoiler gönnen. Preislich liegt der Leaf mit 36.990 Euro deutlich unter dem Opel Ampera mit mindestens 42.900 Euro (Anfangspreis).
Im Grunde ist der Leaf ein Elektroauto aus dem Bilderbuch. So findet sich im Leaf keine Kupplung und die Boardelektronik erinnert mehr an ein Raumschiff als an ein Auto. Der Boardcomputer kann zwar noch nicht reden, errechnet aber Reichweite und zeigt alle Einstellungen des Autos an. So kann der Fahrer je nach Notwendigkeit die Klimaanlage oder die Heizung manuell so justieren, dass die Einstellungen den gewünschten Effekt auf die Reichweite haben. Einige Besonderheiten sind jedoch zu erwähnen. So bietet der Leaf dem Fahrer einen normalen und einen besonders Energie schonende Eco-Fahrmodus. Sobald dieser aktiviert wird, wird das Auto sowohl beim Beschleunigen wie auch beim Bremsen auf Reichweite getrimmt. Das bedeutet, dass die Beschleunigung deutlich geringer ausfällt, während der Bremsvorgang beim „segeln“, also dem dahingleiten ohne Gas zu geben, deutlich erhöht wird. Auch die Reichweitenanzeige des Boardcomputer erhöht sich nach der Aktivierung des Eco-Fahrmodus spürbar. Eine Skala im Hauptmonitor zeigt an, ob gerade Strom verbraucht oder produziert wird. Zusätzlich bietet der Leaf einen „Limiter“ für die Geschwindigkeit. Im Gegensatz zum bekannten Tempomat hält der „Limiter“ nicht die Geschwindigkeit, sondern legt eine km/h-Obergrenze fest. Ist dieser aktiviert, verhält sich das Auto bis zur eingetippten Obergrenze völlig normal, nimmt aber bei Erreichen der Grenze keine Befehle vom Gaspedal mehr an. Das Auto fährt also nicht schneller als die markierte Obergrenze. Dies hilft nicht nur Geld durch Radarfallen zu sparen, sondern ermöglicht, von verkehrsbedingtem Bremsen abgesehen, auch das Fahren mit absolut konstanter Geschwindigkeit. Dies erhöhte die Reichweite nochmals. Im Selbstversuch bei 50km/h Obergrenze und eingeschaltetem Eco-Modus blieb die Reichweite bei einer Fahrt durch die Stadt laut Boardcomputer unverändert und das Auto wurde laut Akkuanzeige somit rein rechnerisch nicht bewegt. Wer also sein Augenmerk auf Reichweite und Umweltverträglichkeit legt, findet beim Nissan Leaf durchaus die entsprechenden Einstellungsmöglichkeiten.
Zwei kleine Gimmicks bietet der Nissan Leaf, welche ihn (noch) klar von der Konkurrenz abheben. Zum einen berechnet der Stromnavigator im serienmäßigen Navigationssystem bei schwacher Batterie automatisch den Weg zur nächsten Ladestation und zum anderen können Käufer eines Nissan Leaf sich höchstwahrscheinlich auf diverse Ladestationen verlassen. Laut Angaben am Messestand ist Nissan in Gesprächen mit McDonalds, die bald an vielen ihrer Restaurants Ladestationen anbieten wollen, welche dann für Leaf-Fahrer, die bei McDonalds essen kostenlos sein sollen. Des Weiteren sollen Nissan-Leaf Kunden, die einen Leaf leasen in Zusammenarbeit mit SIXT für einige Tage im Jahr einen Kleinwagen kostenlos erhalten. Somit könnten auch Leaf-Fahrer für längere Strecken jederzeit auf ein Auto mit Verbrennungsmotor zurückgreifen. Da dies jedoch alles Gerüchte sind, bleibt abzuwarten, wie sich der Markt und auch die Zusatzangebote wirklich entwickeln. Interessant ist jedoch, dass die Firmen erkannt haben, dass die Käufer in der ersten Phase der Elektromobilität deutlich mehr psychologische Sicherheit brauchen als Käufer herkömmlicher Antriebe. Wieviele Kunden, dann diese Zusatzleistungen wirklich in Anspruch nehmen bleibt abzuwarten.
Als letztes kleines Gimmick bietet der Nissan Leaf die Möglichkeit den Ladezyklus, die Klimaanlage und die Heizung per Smartphone zu steuern. Eine SMS informiert den Fahrer, wenn der volle Ladezyklus erreicht ist. Dieses Gimmick ist zwar nicht Lebensnotwendig, kann aber in einigen Lebenssituationen als sehr angenehm empfunden werden.
Was dem Nissan Leaf im Gegensatz zum Ampera fehlt ist eine manuell zuschaltbare Motorbremse für höhere Rekuperation. Diese wäre eventuell in der einen oder anderen Situation durchaus hilfreich, wird aber vermutlich von einem Grossteil der Fahrer außerhalb von extremen Fahrsituationen kaum verwendet.
(Bildquelle Nissan Leaf: Nissan Newsroom Europe Pressebilder)

Daimlers E-Smart
Am meisten enttäuscht hat wohl der E-Smart von Daimler. Trotz kleiner und leichter Bauweise war der E-Smart lieblos gestaltet und vom Feeling her bei weitem nicht auf der Höhe der Zeit. Natürlich sind die Armaturen [Foto Innenraum] reine Geschmacksache und auch ein Computerdisplay sagt nichts über die richtige Berechnung der Reichweite aus, doch fragt man sich, ob analoge Anzeigen bei einem Elektroauto wirklich auf der Höhe der Zeit sind. So bleibt die einzige digitale Anzeige der Kilometerstand. Alle anderen Anzeigen wie Akkuladung, Stromverbrauch, Reichweite usw. werden wie in einem Klein- und Mittelklassewagen durch altmodische Anzeigen signalisiert. Ob dies dem Image eines schicken „Elektro-Stadtflitzer“ entspricht werden wohl die Kunden entscheiden müssen. Ansonsten sind die harten Fakten nicht wirklich berauschend. Mit einer Reichweite von 145km, einer Maximalgeschwindigkeit von 125km/h, einem Einstiegspreis von 23.680 Euro und einer Beschleunigung, die in echt bei weitem nicht an die Werkszahlen heranreicht, ist der E-Smart mehr als ausbaufähig. Gimmicks und besondere Einstellungen sucht man ebenfalls vergeblich. Somit bleibt die einzige Stromsparhilfe das Gaspedal. (Bildquelle E-Smart: Daimler Global Media Site)

Auch Motorräder können elektrisch
Sehr spannend, aber im Moment leider auch nicht ganz überzeugend, war das Elektromotorrad Zero S ZF9. Hier wäre ein längerer Test über ein komplettes Wochenende wohl am sinnvollsten, was leider im Moment trotz mehreren Nachfragen nicht möglich ist. Zwar überzeugt der Preis von circa 2,50 Euro pro 100km (ja nach Stromanbieter), doch 140km/h Spitzengeschwindigkeit und 140km Reichweite sind für ein Motorrad eher zu wenig. Obwohl die Fahrt viel Spass macht und das Motorrad durch seine leichte Bauweise sehr gut zu handeln ist, bleiben die geringe Spitzengeschwindigkeit und die geringe Reichweite bestehen. Was die gefühlt Beschleunigung angeht ist die Zero S ZF9 in etwa mit einem Motorrad mit 500ccm zu vergleichen. Somit ist die Maschine kaum mit einem auf brachiale Beschleunigung getrimmten Modell wie z.B. einer Kawasaki Ninja mit 600ccm zu vergleichen. Ob der Endpreis von 13.895 Euro für dieses spannende, wenn auch noch verbesserungswürdige, Motorrad gerechtfertigt ist bleibt abzuwarten. Auch dürfte der klassische Motorradfahrer bei einer Reichweite von 140km und einer Ladezeit von mehreren Stunden eher schwer zu überzeugen sein.

Elektroroller – klein aber passend
Anders sieht es bei Elektrorollern aus. Diese fahren dank ihres geringeren Endpreises von 3.000 – 7.000 Euro und einem ungefähren Kostenpunkt von 1,- Euro pro 100km (je nach Stromanbieter) deutlich schneller in die Gewinnzone. Auch stören bei klassischen Anwendungsszenarien (Kurz- und Stadtstrecken) eines Rollers die geringe Maximalgeschwindigkeit von 45km/h bis 80km/h und die auch eher geringe Reichweite von 50km bis 80km kaum. Eine „Tankfüllung“ kostet somit je nach Stromanbieter unter 1,- Euro. Da es deutlich mehr Anbieter für Elektroroller als für Elektroautos auf dem Markt gibt, sind alle Zahlen hier nur grobe Richtwerte. Auch dürfte der Gebrauchtmarkt für Elektroroller in wenigen Jahren sehr interessant werden.

Jede Messe braucht Unikate
Natürlich war auch auf der „electric avenue“ Platz für Exoten und Unikate. So wie dieser dreiachsige Smart, bei dem der Akku als einen Art Anhänger direkt an das Heck angepasst wurde. Oder ein rein elektrisches Geländeauto aus der Schweiz. Leider standen diese Unikate genau wie der Tesla Roaster nicht für Probefahrten zur Verfügung.

Update 13.08.2012: Zum Thema psychlogische Sicherheit:
Bei den Verkaufszahlen für der Opel Ampera trotz geringerer Elektroreichweite die Verkaufszahlen bei Elektroautos in Deutschland an. Die gefühlte Sicherheit durch den Range Extender scheint ein wichtiges Kaufargument zu sein. Quelle Welt.de

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